Wie alles begann
1848 hielt Johann Hinrich Wichern eine bedeutende Rede auf dem ersten evangelischen Kirchentag in Wittenberg. Erschüttert durch die große Armut vieler Familien, deren Auswirkungen vor allem die Kinder zu spüren bekamen, forderte er alle Christen auf, etwas gegen diese Not zu tun. Er selber gründete ein Kinderrettungshaus in Hamburg, in dem er Straßenkindern ein Zuhause bot und die Möglichkeit, zur Schule zu gehen und eine Ausbildung zu machen. Wicherns Aufruf löste im ganzen deutschen Reich eine große Bewegung aus und führte zur Gründung der Diakonie (damals Innere Mission). Bis nach Schlesien war sein Ruf gedrungen.
Nach einem verheerenden Brand in der Stadt Frankenstein gründete Pastor Graeve am 07.Mai 1866 die „Evangelische Diakonissenanstalt für Kinder- und Armenpflege“.
Viele junge Frauen aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten ließen sich in den Dienst der Nächstenliebe rufen und traten in die Schwesternschaft ein. Großzügige Spenden ermöglichten den Aufbau eines beachtlichen Werkes. Bereits 1876 gehörten 61 Schwestern zum Diakonissenmutterhaus Frankenstein. Sie waren auf 25 Stationen im Einsatz als ausgebildete Erzieherinnen, Altenpflegerinnen und Krankenschwestern.
(Bild vom Mutterhaus in Frankenstein bzw. vom Schwesternleben dort)
Nach dem verlorenen zweiten Weltkrieg wurde das Mutterhaus aus der Heimat Schlesien vertrieben. In Wertheim fanden die Schwestern eine neue Aufgabe zunächst in der Betreuung der vielen Flüchtlinge, die in die Stadt kamen und in den ehemaligen Kasernen auf dem Reinhardshof einquartiert wurden.
Als die Amerikaner die Kasernen für sich beanspruchten, ließ sich das Mutterhaus im Hofgarten nieder. Von Wertheim aus schwärmten die Schwestern wiederum aus in viele Gemeinden der näheren und weiteren Umgebung und leisteten wertvolle Arbeit. Viele junge Frauen wurden von Diakonissen ausgebildet und geprägt. Zahlreiche Patienten haben ihre Fürsorge genossen.
Aufgaben und Ziele des Vereins
Durch den gesellschaftlichen Wandel hat das Lebensmodell Diakonisse seine Attraktivität verloren. Die Schwesternschaft hat keinen Nachwuchs mehr und wird immer kleiner. Der christliche Auftrag aber, Gott und dem Nächsten zu dienen, behält seine Gültigkeit.
Diesem Auftrag weiß sich der Verein „Evangelisches Diakonissenmutterhaus Frankenstein e.V. Wertheim“ verpflichtet. Seine vorrangige Aufgabe besteht darin, sicherzustellen, dass die Diakonissen alles erhalten, was sie in gesunden und kranken Tagen zur Erholung und im Alter benötigen.
Des Weiteren ist er bemüht, das große geistige Erbe der Frankensteiner Diakonissen fortzuführen und in ihrem Sinne diakonisch tätig zu sein.
Schritte zur Versöhnung
In den letzten Jahren ist es außerdem gelungen, Kontakte in die alte Heimat Schlesien zu knüpfen und Schritte der Versöhnung zu gehen. In der Stadt Frankenstein wurde eine Gedenkstätte für die Arbeit der Diakonissen von 1866-1946 errichtet. Regelmäßig finden geführte Fahrten nach Schlesien statt und umgekehrt kommen Gäste aus Polen zu Besuch. Durch diese Kontakte wurde die Partnerschaft zwischen dem Main-Tauber-Kreis und dem Kreis Zabkovice in die Wege geleitet und unterzeichnet. Für diese Partnerschaft wollen wir uns weiterhin einsetzen.
Wir sind offen für Menschen, die sich den Diakonissen verbunden wissen, diese Ziele des Vereins mittragen und seine Arbeit engagiert unterstützen wollen.